Restaurierung Rotonde SBB, Brig

Dezember 2021

2021

Deborah Fehlmann, Hochparterre Januar 2023:

Im 19. Jahrhundert legten Postkutschen und Reisende den Weg vom Wallis ins italienische Domodossola noch über den Simplonpass zurück. Mit der Eröffnung des Eisenbahntunnels 1906 wurde die Alpenquerung komfortabler, und am Schweizer Grenzbahnhof in Brig herrschte bald reger Personen- und Warenverkehr.

Ein Zeuge des damaligen Ausbaus der Bahninfrastruktur ist die Lokomotivremise von 1904. Sie steht, wie das ganze Güterbahnhofareal, auf aufgeschüttetem Ausbruchmaterial des Tunnels. Als Rundbauremise hat sie in der Schweiz Seltenheitswert – nur 16 davon gab es hierzulande. Die meisten sind verschwunden oder dienen musealen Zwecken, doch in der Kreissegmentremise Brig deponiert und wartet SBB Cargo bis heute Lokomotiven. Vomsattel Wagner Architekten aus Visp haben vor wenigen Jahren die angebaute Werkstatt und jüngst das Depot saniert und ertüchtigt.

Die äusseren Erneuerungen sind die augenfälligsten: Die zuletzt weiss gestrichene Fassade erhielt ihr ursprüngliches Ockergelb zurück, Sockel, Lisenen und Fenstereinfassungen sind dunkelgrau gestrichen. Die schadstoffbelastete Dachabdichtung wich einem leicht gedämmten Dachaufbau und für die maroden Oblichter fand man gleichartigen Ersatz. Auch die Falttore, durch die die Lokomotiven von der zentralen Drehscheibe in der Remise fahren, sind neu. Ungleich ihren Vorgängern sind sie aussen angeschlagen. Dank der wenigen Zentimeter Raumgewinn passen nun auch längere Lokomotiven auf die 14 Abstellplätze.

Wie sich im Inneren zeigt, ist die Remise nicht nur eine typologische Besonderheit, sondern auch eine bautechnische. Im Untergrund nimmt eine gemauerte Rundbogenkonstruktion die Lasten auf. Die schlanke Tragkonstruktion aus Stahlbetonstützen und Rippendecken darüber ist ein frühes Schweizer Beispiel für das ‹System Hennebique›, das der französische Ingenieur François Hennebique 1892 patentieren liess. Die rohe Betonstruktur ist frisch gereinigt und repariert. Im Bereich von zwei Fassadensegmenten gewährleisten Windverbände aus rohem Stahl die heutigen Anforderungen an die Erdbebensicherheit – eine elegante Lösung, die Architekten und Bauingenieur gemeinsam entwickelten.

Auch wenn Einiges hier längst ausgedient hat – etwa der Wasserturm zur Befüllung der Dampflokomotiven, der hinter der Remise steht – erstaunt es, wie die Struktur ihre Gebrauchstauglichkeit trotz technischer Fortschritte bis heute behalten hat. Am Beispiel der Drehscheibe zeigt sich das eindrücklich: Sie wurde um 1960 hier eingebaut und war zuvor 40 Jahre in Biel im Einsatz. Das ist Nachhaltigkeit im besten Sinne.

 

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